Mittwoch, 27. Juni 2007

Jorek & Nirás 4

Zellengenossen

In knappen 10 Minuten, in solch kurzer Zeit, konnte man sehr viel lernen. Man musste gut beobachten, aber wenn man wollte und die Gelegenheit sich bot, dann konnte man in dieser Zeit einen ganzen Menschen einschätzen. Wenn man besonders talentiert war, konnte man ihn lesen wie ein offenes Buch.
Dieser Azrak…er war kein offenes Buch, aber zumindest ein einfach zu durchschauender Charakter. Er war ein Ehrgeizling durch und durch. Jemand der sich nicht damit zufrieden gibt „gut“ zu sein, nein, er wollte, musste, der Beste sein in allem wo jemand danach sann sich mit ihm zu messen, oder er es für nötig hielt jemanden in die Schranken zu weisen. Er maß sich im Kampf, bei der Jagd, beim Training...bei den Frauen.
Dieser Wettbewerbsdrang wohnt fasst jedem Azrak inne, doch dieser hier, der kämpfte nicht zwangsläufig gegen andere. Er bekämpfte auch stetig sich selbst. Arroganz und Sturheit können schlimme Gegner sein, und bei ihm, waren sie mit Sicherheit zwei seiner größten Feinde. Er musste sich übertreffen im Kampf, größere Erfolge verbuchen, mehr Feinde töten, mehr Ruhm ernten.

Für ihn war ich zurzeit wohl nur der stille Diplomat. Ein Aristokrat, wahrscheinlich sogar ängstlich und für ihn nur eine Last. Trotzdem war er sich nicht sicher. Er forderte mich heraus, provozierte und war immer noch, wild darauf erpicht so viele Malika wie möglich umzubringen wenn er hier heraus kam.
Und das schien er zeitig zu wollen. Er musterte die Zelle sorgfältig, und trotzdem würde unsere einzige Chance zu entkommen, der Weg durch die Tür sein. Mit dem Schlüssel in Händen und einigen toten Malika in der Zelle, in der eigentlich wir sein sollten…
Er sprang in der Zelle herrum, schlug in die Luft, demonstrierte mir sein Können und ich musste zugeben…die Gilde täte gut daran einige Azrak zu rekrutieren. Vielleicht konnten sie dort ja sogar annähernd so etwas wie Selbstbeherrschung lernen.

Nachdem ich ihn hatte zappeln lassen und er mit dem Schattenboxen nun wohl fertig war, antwortete ich endlich, warum ich mir hier mit ihm die Zelle teilen musste.
„Du hast gefragt warum ich hier bin, Nirás…nun, die Malika scheinen entweder vom Imperium oder von der Diplomatie, zumindest so wie ich sie verstehe, nicht viel zu halten. Ich kam nicht allein, sondern in Begleitung eines anderen kaiserlichen Botschafters, und ein paar Mann Gefolge.
Von dem Gesuch eines Handelsweges durch das Malikagebiet schienen sie nicht viel zu halten und zu weiteren Gesprächen kam es erst gar nicht. ‚Eure Arroganz zeugt von der menschlichen Schwäche...und nun werden wir sehen ob sich euer geliebter Imperator überhaupt um euch schert...’ Das war das letzte was mir entgegen geworfen wurde, bevor man mich in die Kerker brachte.“

Er hatte aufmerksam zugehört, damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Er überlegte ein Weile und sah mich dann mit gerunzelter Stirn an: „Und was ist mit den anderen passiert? Die, die mit dir hier her gekommen waren?“

Ich lachte verkrampft und hohl…

„Nun…denkst du wirklich ich hätte das Essen nur nicht angerührt, weil ich mich messen wollte?“

Sein Gesichtsausdruck verkrampfte und er würgte sichtlich…

Zwei Malika standen unmittelbar vor unserer Zelle, was im restlichen Gewölbe vor sich ging konnte ich nicht klar einsehen, aber es mussten noch andere Wärter hier sein.
„Malika!“ fuhr ich den einen der beiden an „hohl gefälligst das ‚Essen’ hier wieder raus, ich kann mir das nicht mit ansehen…“
Nirás sah mich verdutzt an.
Beide Wärter drehten sich um. Sie grinsten breit und schnaubten. „Mhmm…willst du nicht wenigstens mal kosten Mensch…du würdest dich wundern wie gut euer eigenes Fleisch schmeckt. Der dumme Taugenichts von einem Azrak, scheint nicht so wählerisch zu sein wie du, Diplomat.“
Beide lachten keuchend und kratzig. Nirás funkelte sie wütend an. ‚Taugenichts von einem Azrak’, das traf.
„Aber na gut, wenn ihr nicht wollt…dann genehmigen wir uns eben einen…Leckerbissen.“
Vier weitere Malika kamen hinzu. Einer von ihnen steckte den massiven Eisenschlüssel ins Schloss unserer Zelle.
Ich sah meinen Zellengenossen nur flüchtig an. Er blickte mir in die Augen und schnaubte leise. Ich bildete mir ein, dass er kurz nickte. Zeig ob dein Geturne was wert ist Junge. Wenn das hier nicht klapp, werden sich uns kaum noch Chancen ergeben...

Vier Malika betraten die offene Zelle. Nirás der auf dem Boden gehockt hatte stand auf. Ich stand noch immer ruhig in der Ecke.
„An die Wand du dunkelhäutiger Teufel!“
Er fixierte die großen, dünnen Wärter, einen nach dem anderen. Dann atmete er lange und tief ein und knackte mit dem Genick.
„Teufel…ja, Teufel finde ich gut…“ Dann sprang er.
Der Satz war erstaunlich. Er landete hinter dem verdutzten Malika der er ihn angesprochen hatte und grub seine Faust in das Gesicht des dahinter Stehenden, der keuchend zusammenbrach. Wie ein Wirbelwind hechtete er von Wächter zu Wächter, Schläge und Tritte nach allen Seiten austeilend. Er schrie sich die Wut vom Leib und entlud sie auf die unglücklichen Malika, die Mühe hatten ihre Waffen zu ziehen.

Ein silberner Streifen zog knapp an Nirás Gesicht vorbei, auf die Zellentür zu. Verdutzt hielt er mitten im Getümmel kurz inne und sah zur Tür.
Langsam rutschte die angelegte Armbrust aus den bleichen Fingern des einen Wärters, der noch im Gang stand. Sein Gesicht war schreckverzerrt und er atmete schnell und röchelnd. Aus seinem Hals rann ein Schwall von Blut, vorbei an der kurzen Schneide eines kleinen Messers.

Nirás sah erstaunt zu mir herüber. Die Malika betrachteten erst verdutzt ihren sterbenden Kameraden dann schauten auch sie in meine Richtung.
Noch immer hatte ich den Arm ausgestreckt, in Richtung des blutüberströmten Wächters.
„Hm…sie fliegen nicht mehr ganz so präzise wie früher.“ sagte ich. Meine Lippen formten ein leichtes Grinsen.

Keine Kommentare: