Mittwoch, 20. Juni 2007

Jorek & Nirás 2

Arrest

Als die ersten Sonnenstrahlen durch den kleinen Spalt, in der kahlen, grauen Wand fielen, hatte ich noch kein bisschen geschlafen. Ich war der festen Überzeugung dass es mir dadurch weit besser ging. Die Malika mögen ein seltsames und fremdes Volk sein, aber Zellenliegen sind überall gleich. Hart, unbequem und von unzähligen Insekten mit Freuden bevölkert.
Der fehlende Schlaf ist kein großes Problem, ich bin sein Ausbleiben gewohnt und die Nacht ist, nach wie vor, sowieso eher mein Metier. Alte Gewohnheiten die so tief sitzen, wird man in meinem Alter nicht mehr los.
Das einzige Problem war die Kälte. Wo die Bel-Kesh am Tage dem Hochofen einer Schmiede glich und die Schatten selbst, sich zurück zu ziehen schienen, war es in der Nacht unerträglich kalt. Man sagt, dieser Umschwung geschieht nach dem Sonnenuntergang derartig schnell, dass man Acht geben muss, dass der Schweiß des Tages, einem in der Dunkelheit nicht auf dem Gesicht gefriert…
Der dunkle Stein der Zelle hielt die Wärme zwar recht gut, doch auch ich hatte in den alten Mauern mit den unerbittlichen Bedingungen der großen Wüste zu kämpfen.
Mittlerweile war es jedoch schon wieder schwül, und die Luft stand in dem vergitterten Raum. Hinter und rechts von mir bildeten triste, behauene Steine eine unüberwindliche Barriere. Links eine grobe, Gitterwand in rostigem, alten Metall. Man konnte den Kopf in die gegenüberliegende Zelle stecken, so groß waren die Gittermaschen. Vor mir schließlich eine schwere eiserne Tür, gesichert mit einem massiven Schloss.
Angekommen bin ich hier, in Erwartung eines großen, geschmückten Raumes für mich. Prasselnde, offene Feuer die gegen die nächtliche Kälte schützen und ein festliches Abendmahl hätten gewartet. Gelandet bin ich in einer zwölf mal sechs Fuß großen Zelle. Ich glaube die Malika haben das Prinzip der Diplomatie nicht ganz verstanden…nun, zumindest definieren sie es um einiges anders als die meisten Völker.

Der dünne Lichtstrahl, den die Sonne in den Raum warf, wanderte langsam über den Zellenboden. Über Schmutz und Staub, Schimmel und graue Flechten die auf dem dunklen Gestein wucherten und über ein kantiges, glattes Gesicht.
Einigen Stunden nach mir, irgendwann tief in der Nacht hatten sie ihn hier rein geworfen. Bewusstlos und mit blutigem Hinterkopf.
Er war ein Azrak. Ein weiteres Wüstenvolk, stolz und stur und bis auf’s Blut mit den hellhäutigen Malika verfeindet. Eine Kriegernation aus eleganten, ausdauernden Jägern.
Der junge Kämpfer der hier auf dem Boden lag, war vermutlich ein Späher, unvorsichtig und ungestüm genug um sich von den wachsamen Malika-Patrouillen bei Nacht erwischen zu lassen.
Nun schien er endlich aufzuwachen. Mit geschlossenen Augen, presste er die Lieder zusammen und runzelte die Stirn. Sein Gesicht verzerrte sich. Der Schmerz durchfuhr noch immer seinen Schädel.
Ich musste schmunzeln. So habe ich schon etliche Leute aufwachen sehen, nur war ich dann entweder nicht mit ihnen in der Zelle, sondern hatte sie nur dorthin transportiert, oder ich hatte den Schlüssel und unangenehm spitze und scharfe Gegenstände dabei…
Mein Mitgefangener setzte sich auf und befasste mit der Hand seinen Hinterkopf. Ein gepeinigtes, wütendes Stöhnen entfuhr ihm. Er öffnete die Augen, blinzelte mehrere Male und knackte dann zweimal mit dem Genick. Das unangenehme Geräusch echote die leeren, stillen Zellengänge entlang.
Im Sitzen sah er sich um. Seine Augen hatten sich noch immer nicht ganz, an das trübe Halbdunkel des Raumes gewöhnt und waren zusammengekniffen.
Er sah mich nicht sofort, im Schatten und in der Ecke der kleinen Zelle, wo ich von meinem Umhang umschlungen stand und ihn ruhig beobachtete.
Als er mich bemerkte erschrak er nicht, er musterte mich ruhig aber angespannt, und wohl immer noch mit pochendem Schädel. Unsere Blicke streiften sich kurz, er runzelte die Stirn und wandte dann seinen Blick wortlos ab und stand auf. Dann streckte er sich und ließ sich schnaubend auf die hölzerne Liege fallen. Staub stob zu allen Seiten, von der alten geflickten Decke auf, die halb auf der Trage hing. Sein blick heftete leer auf dem Boden.

Man konnte seine Wut beinahe schmecken. Noch halb gelähmt und doch schon wieder voller Wildheit und Zorn. Die Azrak…Gefangenschaft war für sie wie der Tod. Ein ruheloses, stolzes Volk, sieht sich nicht gern eingepfercht auf engstem Raum. Schon gar nicht vom ärgsten Feind. In der Ehre verletzt, musste die Wut auf sich selbst und sein Versagen, im Augenblick fast schwerer wiegen als der Hass auf die Malika…und den stillen Menschen mit dem er die Zelle teilte und der ihn musterte wie ein wildes Tier.
Ein wildes Tier, so kam er mir tatsächlich vor. Ein ungezähmter Löwe im Käfig.
Obgleich ich von diesem, fast kindlichen Zorn, belustigt war, musste ich mich vorsehen. Ich war immerhin im selben Käfig…

Ich zögerte, dann räusperte ich mich. „Mein Name ist Jorek. Ich bin imperialer Diplomat.“ sagte ich ruhig. „Aber…wenn ihr, wie ich vermute, ein Späher seid…dann wisst ihr das wahrscheinlich bereits.“
Er schaute mich aus dem Augenwinkel an und schnaubte leise. „Menschen…menschlicher Adel…“

Nein, er war noch nicht soweit. Aber Not schweißt, über kurz oder lang, zusammen...und sei es nur vorübergehend.

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