Freitag, 14. Dezember 2007

Das Vermächtnis der Ssirhaa 3

Der Nestor

Es zog etwas herauf. Miguel konnte es förmlich riechen. Etwas Unheilvolles zog herauf. Der junge Arkarge war heute ungewöhnlich unruhig, es war selten, dass er einem seiner Opfer so offen gegenübertrat. Miguel war Kopfgeldjäger, nicht Irgendeiner sondern einer der Besten, viele behaupten sogar DER Beste. Erneut überprüfte er seine Ausrüstung. Das grün-braune Gewand das an den Seiten Schlitze hatte um dem Träger Bewegungsfreiheit zu verschaffen saß perfekt. Dem Kleidungsstück hatte Miguel auch seinen Beinamen zu verdanken: Miguel der Nestor, oft auch nur Nestor genannt. Zu seinem Beinamen trug außerdem sein Markenzeichen, eine speziell gefertigte Pfeife, die exakt den Ruf der Vögel nachahmte nach einen er benannt war: den Nestorvögeln. Miguel war dafür bekannt ebenso schnell und geschickt zuzuschlagen wie diese Raubvögel. Er überprüfte den Sitz seiner verborgenen Waffen, die Nun-Kin, seine Wurfsterne saßen so, dass man sie problemlos und bequem erreichen konnte ohne, dass es auffiel. Seine beiden Kurzschwerter hingen versteckt auf seinem Rücken, dort wo sonst sein geliebter Speer hing. Den Speer hatte sein treuer Freund Abu Ssam, der Nabumpta würde außerhalb der Stadt mit Proviant und zwei Pferden oder Steppenläufern auf Miguel warten. Langsam dämmerte es und Miguel achtete pedantisch darauf, dass die Kapuze seine langen, schwarzen Haare verbarg und auch ein großer Teil seines von einem sorgsam gepflegten Bart gezierten Gesichtes im Schatten der Kapuze lag.

Sein Auftrag war simpel und doch verspürte Miguel eine innere Unruhe wie schon lange nicht mehr. Im Volk der Sabdrahan und vor allem in Rukha-Tan, der Königsstadt, war nicht alles so ruhig wie es sein sollte. In letzter Zeit nahmen Stimmen von Aufrührern zu, die der Meinung waren, die Könige seien nicht unantastbar. Einige korrupte Politiker wiegelten das Volk auf um sie zu einer Revolte zu animieren. Wo es nur ging wurden die Könige von den Politikern kritisiert, verunglimpft und an den Pranger gestellt. Einen dieser Politiker würde Miguel heute in den späten Abendstunden treffen, natürlich als Unterhändler oder Kontaktmann und nicht als der Nestor.

Es war recht kühl geworden, wie immer in den späten Abendstunden und Miguel zog sein Gewand etwas enger. In einer halben Stunde zur einundzwanzigsten Stunde des Tages würde der Nestor einen Aufrührer treffen und ausschalten. Mit gemütlichen Schritten machte er sich dann auf den Weg zum Treffpunkt, einem kleinen Seitengässchen. Ohne jede Regung ging der junge Arkarge an den Tavernen und Freudenhäusern dieses zwielichtigen Viertels der Königsstadt vorbei. Er interessierte sich im Moment nicht für Zerstreuung sondern konzentrierte sich voll und ganz auf seinen Auftrag. Das Treffen mit dem Politiker war vom weisen Berater der Könige arrangiert worden und Abdul El-Sabinh rechnete eigentlich mit einem Kontaktmann für seine Verschwörung, er konnte nicht ahnen, dass ihm bald der Nestor gegenüber stehen würde. Die einundzwanzigste Stunde rückte näher und so beschleunigte Miguel seine Schritte bis er die Gasse erreicht hatte. Eine enge Gasse, auf beiden Seiten von gelben Sandsteinwänden begrenzt, in die kaum Licht fiel. Perfekt. Perfekt um die Tarnung aufrecht zu erhalten.

Einen kurzen Blick hinter sich werfend trat Miguel nun in die Gasse und wartete, trotz der Dunkelheit gut erkennbar auf Abdul El-Sabinh. Dieser ließ nicht lange auf sich warten, pünktlich zur einundzwanzigsten Stunde betrat der untersetzte, dickliche Arkarge die Gasse. Flankiert wurde der in aufwendig gearbeitete Stoffe gehüllte Politiker von zwei Leibwächtern.

Obwohl es selten war, war einer der Leibwächter ein Arkarge welcher links von Abdul Stellung bezog, während der Zweite, ein großer Nabumpta rechts des Politikers stand. „Nun, berichte.“, Abduls Stimme war anzumerken, dass er gewohnt war zu befehlen. Nicht mehr lange, dachte Miguel bei sich. Er antwortete nicht, er brauchte noch ein wenig Zeit. Mit einer unbemerkten Bewegung brachte Miguel sich in Position, die zwei Nun-Kin lagen gut in seinen Händen. Er ließ die Arme noch verschränkt um sie zum Schleudern der Wurfsterne ruckartig zu öffnen. Abdul wiederholte seine Aufforderung zum Berichten und diesmal reagierte Miguel, blitzschnell öffneten sich seine Arme, Metall blitzte in seinen Händen und schon waren die Nun-Kins unterwegs ihr blutiges Werk zu tun. Der Arkarge links von Abdul sank von einem Wurfstern zu Tode getroffen zu Boden während der mit der schwächeren, linken Hand geworfene Nun-Kin den Nabumpta nur am Arm streifte. Es waren nur wenige Sekunden vergangen und schon hatte Miguel seine beiden Kurzschwerter gezogen.

Der Nabumpta zog ebenfalls seine Klinge und stellte sich zwischen Miguel und den sich zur Flucht wendenden Abdul El-Sabinh und wollte gerade auf den kleineren und schmächtigeren Gegner eindringen als Miguel die Kurzschwerter in seiner typischen Kampfhaltung, rechts mit dem Griff nach oben zum stechen und links für Hiebe mit der Klinge nach oben, schon vor ihm stand. Scheinbar mühelos durchbrach der Nestor die Deckung seines schwerfälligen Gegners und streckte diesen nieder. Der Leibwächter war noch nicht zu Boden gestürzt als Miguel schon hinter Abdul her rannte und den dicklichen und bereits vor Erschöpfung keuchenden Politiker einholte. Mit einem Fußtritt schickte der junge Kopfgeldjäger den Aufrührer zu Boden und setze ihm eine seiner Klingen an die Kehle. „Schluss mit deiner kleinen Revolution du Narr“, sagte Miguel spöttisch während er seine Kapuze lüftete und dem Politiker sein Gesicht zeigte. Abduls Augen weiteten sich vor Schreck und seine Stimme zitterte leicht: „Verdammt! Der Nestor. Doch grinse du nur, unsere Revolution ist noch lange nicht gestoppt.“

„Schade, dass du es nicht mehr erleben wirst Abdul“, antwortete Miguel bevor er den Politiker tötete. Er sah sich kurz um, es schienen keine Wachen zu patrouillieren was ungewöhnlich war, der Berater des Königs hatte es wohl geschafft die Aufmerksamkeit der Wachen auf ein anderes Viertel zu lenken. Gut für Miguel und so machte er sich daran dem Politiker den Kopf abzuschneiden. Als er damit fertig war steckte er den Kopf sorgsam in eine für diesen Zweck hergestellte Tasche. Mit einem letzten, prüfenden Blick verließ der Nestor den Tatort und kramte nach seiner Pfeife. Nachdem er sie gefunden hatte blies er einmal kräftig hinein, der Schrei eines Nestorvogels ertönte und jeder wusste nun, dass Er, der Nestor zugeschlagen hatte.

Schnell aber nicht so schnell, dass er Aufmerksamkeit erregen würde machte sich Miguel auf um seine Belohnung einzutreiben. Wieder kam er an den Freudenhäusern und Tavernen vorbei, doch auch jetzt war nicht die Zeit dafür. Miguel verließ das Viertel und bog auf die Hauptstraße. Dort lief er festen Schrittes auf den Sitz der Könige zu. Als er vor dem Palast stand bog er in die Seitengasse direkt beim Gemach des Beraters. In der Dunkelheit der späten Abendstunde erspähte er das Fenster zum Raum des Beraters, des Tanmannes was übersetzt zwar Stadtmann hieß aber die gängige Bezeichnung für den Berater der Könige war. Das Zimmer des Tanmannes lag nicht im Erdgeschoss und so machte Miguel sich vorsichtig an den Aufstieg. Mehrmals fanden seine Finger keinen Halt und nur seine Körperbeherrschung rettete ihn vor einem schmerzhaften Sturz. Dann, endlich erreichte er das sechs-eckige Fenster und klopfte sachte an die erstaunlich schmucklose Scheibe. Er musste noch einmal klopfen bis das Fenster nach innen aufschwang und der Kopf des Tanmannes in der Fensteröffnung erschien. „Ah, Nestor. Habt ihr euren Auftrag erfolgreich erledigt?“

„Was für eine Frage…. Was denkt ihr denn? Natürlich, Ich habe sogar El-Sabinhs Kopf als Beweis dabei“, antwortete Miguel und kramte mit einer Hand nach dem Beutel mit dem Kopf.

„Nein, lasst gut sein Nestor. Ich glaube euch. Hier ist eure Belohnung“ – bei diesen Worten wedelte er mit einem Beutel in dem Goldmünzen klimperten – „aber vergesst nicht Nestor, solltet ihr das nächste Mal in der Stadt sein und eure Dienste werden nicht gebraucht müsst ihr mit einer Festnahme rechnen.“

„Ich werde daran denken, danke“, entgegnete Miguel kühl und nahm den Geldbeutel entgegen. Ohne ein Wort des Abschieds lief er sich theatralisch fallen um sich an einem weiter unten gelegenen Fenstersims festzuhalten. Normalerweise hielt Miguel nicht viel von dieser „Rumturnerei“, wie er es nannte aber diesem Tanmann wollte er noch einmal zeigen, dass es nicht leicht sein würde ihn, den Nestor, zu fangen. Schnell erreichte er den Boden und amchte sich sofort auf den Weg zum Osttor, dem kleinen und meist nur schlecht bewachten Tor. Dort würde es ihm leichter fallen ungesehen aus der Stadt zu kommen.

Schon erspähte Miguel das Osttor. Bald würde er die Stadt verlassen haben. Eine einzelne Wache, ein Arkarge stand mit dem Blick in die Ebene hinaus über dem Tor. Sonst war niemand zu sehen. Mit leisen Schritten näherte sich Miguel dem Aufgang und betrat schließlich die Mauer. Vorsichtig schlich er sich an die Wache an und bevor der Arkarge erstaunt aufschreien konnte trafen die gefalteten Fäuste Miguels und ließen ihn bewusstlos zu Boden sinken. Miguel legte den Beutel mit dem Kopf Abduls neben die Wache und machte sich an den beschwerlichen Abstieg an der Frontseite der Mauer. Mühsam tastete Miguel sich von Unebenheit zu Unebenheit in der Mauer und hatte schon bald die Hälfte seiner Kletterpartie abgeschlossen. Plötzlich fand er keinen Halt mehr und drohte abzustürzen, konnte sich aber gerade noch so festhalten. Dann hatte er es endlich geschafft.

Er entfernte sich einige Meter von der Stadt und blies in seine Pfeife. Der Ruf war kaum verklungen als sich die massige Gestalt eines Nabumpta aus der Dunkelheit schälte. „Abu Ssam!“, rief Miguel froh seinen Freund wieder zu sehen. „Miguel alter Selbstdarsteller. Du mit deiner Pfeife. Irgendwann wird sie dich noch in ernsthafte Schwierigkeiten bringen“, erwiderte der groß gewachsene Nabumpta scherzhaft. „Es tut gut dich wieder zu sehen Schwarzer Mann“ sagte Miguel spaßeshalber und spielte auf die Ebenholzfarbene Haut seines Freundes an. Wie jeder Nabumpta war Abu Ssam nicht nur von schwarzer Hautfarbe sondern auch groß und breit gebaut. Im Gegensatz dazu stand Miguels drahtige und eher kleine Gestalt seine eher bronzene Haut. Bekleidet war Abu Ssam mit der üblichen Ausrüstung der schwarzen Krieger. Ein rockartiger Beinschutz, der bis zum Bauch hoch reichte und dort mit einer Metallplatte verstärkt war und Sandalen, um einen stabilen Stand zu gewähren, bildeten den einzigen Schutz. Die Brust blieb unbedeckt, die Handgelenke waren durch Lederschienen geschützt und an der Seite hing eine einschneidige Einhandaxt. „Verlief alles glatt?“, wollte Abu Ssam dann wissen. „Ja kann man so sagen, ich bin am Leben, um einige Münzen reicher und guter Laune. Man kann wirklich sagen, dass es glatt verlief.“, antwortete Miguel grinsend. „Ich habe da etwas was dir gefallen wird, mein Freund“, sagte Abu Ssam und grinste so, dass man alle seine weißen Zähne sehen konnte. Er machte eine Geste hinter sich, wo Miguel zwei Schatten erkennen konnte. Mit einem flauen Gefühl im Magen erkannte er, dass es sich um Steppenläufer handelte. Die gewaltigen Echsen waren Miguel noch nie ganz geheuer gewesen und so verfluchte er seinen Freund innerlich dafür, dass er keine Pferde gekauft hatte. Als er dann noch das selbstgefällige Grinsen auf Abu Ssams Gesicht sah fluchte er noch wesentlich heftiger. „Pferde wären mir lieber gewesen Schwarzer Mann“, sprach Miguel seinen Freund auf die Steppenläufer an. „Ich weiß, deshalb hab ich ja auch diese zwei Hübschen hier – dabei tätschelte er den Hals einer der Echsen und grinste noch breiter – gekauft“, war die spöttische Antwort des Nabumpta. „Du bist ein elender Mistkerl Schwarzer Mann. Nun lass uns aber schauen das wir hier wegkommen.“

Gesagt, getan, Miguel und auch Abu Ssam saßen auf. Gemütlich und im schaukelnden Trott der Steppenläufer ritten die beiden Freunde in Richtung Osten, nach Uram-Tan.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hi LaZy,

deine schreibweise finde ich geil, mach weiter so.